Glücklich sein – das will wohl jeder. Doch glücklich zu werden, das ist mit Arbeit verbunden. Wie es funktionieren kann, lernen Schülerinnen und Schüler am Gymnasium Kaltenkirchen in einer ganz besonderen Nachmittags-AG. Ist Glück wirklich erlernbar?
Kaltenkirchen. Ist Glück wirklich erlernbar? Die einhellige Antwort der sieben Teilnehmenden ist ganz klar: Ja. Wie genau das funktioniert, lernen die Schülerinnen und Schüler – und eine Sozialarbeiterin – im Glückskursus am Gymnasium Kaltenkirchen. Schulleiterin Tatjana Rahmani bietet diese AG im Rahmen des Individualisierungsangebots bereits im zweiten Schuljahr für alle Schüler von der fünften Klasse bis zum Abiturjahrgang an. Die Teilnahme ist freiwillig.
Jeden Mittwoch um 14 Uhr treffen sich die Glückskurs-Teilnehmenden im Büro von Rahmani, wo sie sich um einen großen Tisch verteilen. An diesem Mittwoch sind sieben dabei: Felix Losch, Emil Fink, Laura Sophie Prenrekaj (alle 17), die Schulsozialarbeiterin Annika Junge sowie die Sechstklässler Ben, Linnea Chrobak und Lija Burmeister (alle 12). Gestartet wird mit einer zehnminütigen Meditation. Lija und Linnea machen es sich dafür liegend auf dem Fußboden bequem. Aus dem Smartphone der Schulleiterin ertönt eine angenehme Stimme, die die Teilnehmenden mit autogenem Training in eine tiefe Entspannung schickt.
Glückskurs am Gymnasium Kaltenkirchen: Mindset verändern
Entspannt und gleichzeitig wach stürzten sich die Schüler danach auf die Schokolade, die Rahmani immer bereit hält. Schließlich haben die Kinder und Jugendlichen schon einen anstrengenden Schultag hinter sich und brauchen Nervennahrung. Erste Lektion: Meditation tut gut, Schokolade erst recht.
Die Idee für den Glückskursus kam Rahmani während der Pandemie. „Mit ging es 2020 mental schlecht und da habe ich mir sechs Monate lang ein persönliches Coaching gegönnt“, erzählt sie. Darin ging es um die Veränderung des Mindsets, also der Denkweise und der inneren Haltung. „Das hat mir sehr geholfen. Die Dinge, die ich dabei gelernt habe, wollte ich gerne weitergeben.“ Also nahm sie im vorigen Schuljahr den Glückskurs ins AG-Programm auf. Am Gymnasium Kaltenkirchen gibt es außerdem noch eine Achtsamkeitspause und eine Achtsamkeits-AG.
„Ich bin immer der Akteur in meinem Leben und muss raus der Opferrolle“, das habe sie gelernt. Und das wolle sie nun auch den Schülern nahe bringen und ihnen gewisse Fähigkeiten an die Hand geben, um glücklicher zu werden. Basis dafür sind die „Sechs geistigen Gesetze“, die in dieser Stunde von den Teilnehmenden in Gesprächen verinnerlicht werden. Sie lauten: innere Landkarte, Gesetz der Anziehung, Gesetz der Kontrolle, Gesetz der Freiheit, Gedanken als reale Kräfte und Senden und Empfangen.
Glückskurs Kaltenkirchen: Positives Denken verhalf Ben zu einer Eins in Mathe
„Wir lernen hier, wie wir unser Denken, unsere Haltung durch aktives Arbeiten verändern können“, erklärt Rahmani: „Die Umstände können wir oft nicht ändern, aber unsere Haltung dazu.“ Und das wissen mittlerweile auch die Kursteilnehmenden, die ihre erlernten Fähigkeiten schon oft angewendet haben. Der 12-jährige Ben erzählt: „Ich bin nicht so gut in Mathe und hatte immer Angst vor Klausuren.“ Als vor Kurzem wieder eine anstand, habe er positiv an Mathe gedacht und überhaupt nicht an Zensuren. „Und ich habe eine 1 bekommen“, sagt er stolz.
Die zweite Lektion: Kontrolliere und lenke deine Gedanken, denn sie haben Kraft. Rahmani wirft den Begriff „Neuroplastizität“ ein. Die Teilnehmenden wissen sofort Bescheid und Felix Losch erklärt: „Das Gehirn besteht aus Neuronen, die in verschiedenen Bahnen laufen. Die Bahnen, die öfter benutzt werden, werden dicker.“ Denke man also in bestimmten Situationen immer negativ, ist das Gehirn aufs Negative programmiert. „Aber wir können unser Gehirn verändern, wenn wir immer wieder positiv denken“, erklärt Felix: „Die alten Bahnen bilden sich dann zurück, die neuen werden dicker.“
Schüler sind sich einig: Glückskurs sollte verpflichtend sein
Die dritte Lektion: Positives Denken hilft wirklich, aber man muss es trainieren. Einige Teilnehmende sind schon im zweiten Jahr dabei, wie zum Beispiel Laura Sophie: „Durch die Schule sind wir mental belastet und haben auch mal Probleme mit Freunden oder der Familie“, erzählt die Abiturientin im Kursus: „Positive Affirmationen helfen mir dabei sehr.“ Sie habe sich sogar eine App (“I am“) runtergeladen, die ihr mehrmals täglich positive Affirmationen aufs Smartphone schickt. „Dadurch stehe ich morgens ganz anders auf, denke positiv und suche auch das Positive.“ Das Erlernte helfe ihr gerade jetzt, in der stressigen Abi-Zeit, sehr.
Die vierte Lektion: Ein Glückskurs in der Schule ist sinnvoll. „Ich finde das Angebot wichtig und es macht Spaß“, sagt die 12-jährige Linnea: „Was ich hier lerne, hilft mir im Alltag, zum Beispiel, wenn ich Angst habe.“ Der Sechstklässler Ben sagt über sich selbst, er sei viel ruhiger geworden und habe weniger Streit. Alle sind sich einig: Ein Glückskurs müsste an Schulen verpflichtend sein. Felix Losch: „Aber ohne Noten. Dann wird es zum Zwang und niemand hat mehr Spaß daran.“
Quelle: KN Online: https://www.kn-online.de/lokales/segeberg/glueckskurs-am-gymnasium-kaltenkirchen-kann-man-glueck-lernen-MSJA2MBU6NALXMN4344EDRKY3E.html (24.03.2024)
Text und Bilder von Sylvana Lublow